In Zeiten des Wandels – aussterbende Berufe
An den Klimawandel wollen manche Zeitgenossen nicht recht glauben. Der stetige Wandel in der Arbeitswelt lässt sich jedoch mit noch so viel Trotz nicht wegdiskutieren. Berufe, die es jahrzehnte-, ja jahrhundertelang gegeben hat, verschwinden über Nacht – und mit ihnen das Wissen um so viele alte Bezeichnungen. Das ist in allen Branchen so, in keiner aber so intensiv und umfangreich wie im grafischen Gewerbe.
Wer weiß denn heute noch, was ein Schweizer Degen ist? Zugegeben, das ist ein etwas ausgefallenes Beispiel. Bezeichnet wurde damit jemand, der sowohl gelernter Schriftsetzer als auch Buchdrucker war. Ein Schriftsetzer brachte Text in eine druckbare Form – entweder in der ursprünglichen Form als Akzidenzschriftsetzer mit beweglichen Bleibuchstaben, die von Hand zusammengesetzt wurden, oder als Maschinenschriftsetzter. Letzterer bediente sogenannte Satzmaschinen, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts bei Mengentext verwendet wurden (Monotype, Linotype). Ein Spezialist innerhalb der Schriftsetzer war der Metteur, der Texte und Bilder zur Druckform zusammensetzte – zunächst in Blei, mit Zunahme des Offsetdrucks dann als Film (Offsetmontage).
Spezielle Buchdrucker, also Drucker, die an einer Buch- oder Hochdruckmaschine (wie etwa dem unsterblichen Heidelberger Tiegel) gelernt haben, sind selten geworden. Die entsprechenden Maschinen werden heute fast ausschließlich zum Stanzen oder Prägen eingesetzt und die Bediener werden meist nur angelernt.
Manche Berufe haben eine so kurze Haltbarkeitsdauer, dass sie schon vergessen sind, bevor ihre Bezeichnungen überhaupt in den allgemeinen Sprachgebrauch eingehen konnten. Der Scanner-Operator ist so ein Fall. Zwischen 1960 und 2000 mit dem Höhepunkt in den 80er Jahren wurden überall auf der Welt sogenannte Trommelscanner eingesetzt, um farbige Vorlagen (Fotos oder Dias) in Filme für die Druckformherstellung zu verwandeln. Diese Geräte, die bis zu 1 Mio. DM kosten konnten, zu bedienen, war gut ausgebildeten und hochbezahlten Spezialisten vorbehalten. Mit dem Aufkommen der Digitalfotografie in den 90er Jahren wurden diese Scanner zunehmend überflüssig – und damit auch ihre Bediener.
Übrigens ist der Scanner-Operator lediglich eine Spezialform des Reprografen, der auch schon vor dem Aufkommen der Scanner dafür sorgte, dass Bilder gedruckt werden konnten, hauptsächlich mit Hilfe einer Reprokamera. Auch der Reprograf ist aber nur Teilberuf des Berufsbildes Lithograf oder genauer Fotolithograf.
Das Berufsbild des Lithografen hat eine besondere Wandlung durchlaufen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Lithograf jemand, der die Technik des Steindrucks (1796-1798 von Alois Sennefeld entwickelt) beherrschte. Später wurde die Bezeichnung Lithografie allgemein angewendet auf alle Techniken, mit denen Halbtöne druckbar gemacht werden konnten. Zuletzt hieß der Lithograf noch offiziell Druckvorlagenhersteller, bevor er mit Grafikern und anderen zusammen 2008 in den Topf „Mediengestalter“ geworfen wurde. Als Berufszweig gibt es die echte Lithografie schon lange nicht mehr, wohl aber – wie manches andere – als Hobby oder als künstlerische Tätigkeit.
Und Heute?
Aus dem „Drucker“ wird der „Medientechnologe Druck“ in den diversen Fachrichtungen Offset, Tiefdruck, Flexodruck, Siebdruck.
Aus dem „Grafiker“ wird ein „Mediendesigner“ oder gar „Kommunikationsdesigner“, je nach Studienort. Natürlich sind sich die Studiengänge inhaltlich sehr nah – und ja, Kommunikationsdesign und Mediendesign bezeichnen eigentlich den gleichen Studiengang.
Design ist nicht gleich Design
heißt es auf der webseite „medien-studieren.net“, und das wird so begründet:
Grafikdesign ist die älteste Bezeichnung für Studiengänge in diesem Bereich. Sie stammt aus einer Zeit, als es vor allem um die Gestaltung analoger Materialien ging. Dazu gehören zum Beispiel Werbebroschüren, Firmenlogos oder auch das Layout von Zeitschriften.
Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Anforderungen an Grafikdesigner aber stark verändert. Heute gehört auch das Design von Webseiten, Messeständen oder Verpackungen zu den Aufgaben. Also nicht mehr nur das Gestalten von reinen Grafikprodukten, sondern auch Elementen, die zur Kommunikation zwischen Kunden und Firmen benutzt werden. Dementsprechend wurde die nicht mehr ganz zeitgemäße Bezeichnung „Grafikdesign“ oft durch „Kommunikationsdesign“ oder „Visuelle Kommunikation“ ersetzt.
Die Arroganz und Unwissenheit der Macher dieses Webportals ist wunderlich. Bis natürlich auf die Gestaltung von Websites haben Grafiker all diese „modernen“ Tätigkeiten immer schon gemacht. Geändert haben sich lediglich die Techniken. Und alles, was über die Gestaltung von Kommunikationsmitteln hinaus geht, heißt auch heute noch Marketing und ist ein eigenes Studienfach.